Ex Machina (2015)

Dass der Brite Alex Garland ein ausgezeichneter Schriftsteller (Der Strand) und Drehbuchautor (Sunshine) ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Die Frage, ob er auch einen guten Regisseur abgeben würde, kann jedoch erst seit diesem Jahr beantwortet werden: Und das mit einem groß geschriebenen JA! Mit Ex Machina, seinem Debüt hinter der Kamera, schuf er einen spannenden Genre-Hybriden aus Science-Fiction-Thriller und kammerspielartigem Psycho-Drama, der einer der interessantesten Beiträge der letzten Jahre zum Thema Künstliche Intelligenz ist.

Dabei verzichtet er auf knallige Action, wie im ebenfalls dieses Jahr erschienenen Chappie, sondern wählt einen wesentlich ruhigeren Ansatz, was Ex Machina umso eindringlicher und realistischer macht. Zudem konnte Garland für seinen Film auf ein glänzendes und angenehm unverbrauchtes Darsteller-Trio zurückgreifen, das sich durch ein nicht minder überzeugendes Setting bewegt. Dieses besteht hauptsächlich aus dem klaustrophobischen und steril anmutenden Gebäude des genialen, aber zurückgezogen lebenden Firmenchefs Nathan. Sein hochtechnisiertes Reich beherbergt nicht nur jede Menge Räume und Korridore, sondern auch die von ihm entwickelte Roboterfrau Ava. Um deren künstliche Intelligenz zu testen, lädt Nathan den jungen Programmierer Caleb ein, der eine Woche lang in Gesprächen mit Ava feststellen soll, ob sie wie ein Mensch denkt oder doch nur wie eine Maschine.

So simpel diese dramaturgische Ausgangssituation auch klingen mag, so viel Raum bietet sie für die Figuren und deren Darsteller. Ein Fakt, den Garland clever zu nutzen weiß, indem er mit dem einschüchternd wirkenden Nathan, dem zurückhaltenden Caleb und der neugierigen Ava drei unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen lässt. Jedem Zuschauer dürfte dabei schnell klar werden, dass solch ein Konfliktpotenzial früher oder später zur Eskalation führt. Bis es jedoch soweit ist, gibt der Regisseur dem Publikum genug Zeit, um sich Gedanken über das Gesehene zu machen. Gleichzeitig zieht er die Spannungsschraube immer weiter an, vernachlässigt dabei aber nicht die philosophischen Aspekte seines Films. In diesen besteht auch die größte Stärke von Ex Machina, denn selten hat es ein Vertreter dieses Genres geschafft, existenzielle Fragen zu Menschheit und Identität so veranschaulichend darzustellen, ohne diese zu plakativ wirken zu lassen.

Neben Garlands Händchen für eine derartige Inszenierung, ist es auch den drei Hauptdarstellern zu verdanken, dass Ex Machina nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Angefangen bei Oscar Isaac, der wohl zu den vielversprechendsten Schauspielern der letzten Jahre gehört. In seiner Rolle als Nathan brilliert er mit beeindruckender Präsenz, spielt sich jedoch nie zu sehr in den Vordergrund. Dies erweist sich als genau die richtige Herangehensweise, um den zwielichtigen Firmenchef zu verkörpern, der zwischen lockerem Kumpeltyp und arrogantem Kontrollfreak mit Alkoholproblemen zu pendeln scheint. Ebenso weiß auch Domhnall Gleeson zu überzeugen. Die Entwicklung Calebs, der anfangs noch Bewunderung für seinen Chef hegt, die sich jedoch in zunehmendes Misstrauen wandelt, vermittelt er mehr als glaubhaft. Als Dritte im Bunde darf sich zudem die Schwedin Alicia Vikander als Ava beweisen. Die nicht gerade leichte Aufgabe, eine Roboterfrau darzustellen, die gleichzeitig menschliche Attribute und Eigenschaften aufweist, meistert sie mit Bravour.

So wie Caleb zunehmend Schwierigkeiten hat, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden, muss sich auch der Zuschauer immer wieder fragen, was Wahrheit und was Täuschung ist, wer welches Ziel verfolgt und warum. Das fiese Finale hinterlässt jedoch nur oberflächlich die Genugtuung einer Auflösung. Viel nachhaltiger und bedeutender sind die Fragen, die sich spätestens nach dem Abspann unweigerlich auftun: Was macht uns Menschen eigentlich aus? Sind es unsere Entscheidungen, unser Denken oder ist es die bloße Anatomie?

Garlands Konzept für sein Regiedebüt geht also fast vollständig auf. Zwar mag es dem ein oder anderen an außergewöhnlichen Momenten mangeln, jedoch hat Ex Machina dies auch gar nicht nötig. Garland versucht nicht, das Rad neu zu erfinden oder weitere Genre-Maßstäbe zu setzen. Und dennoch – oder gerade deshalb – bietet sein Film dank einer zurückhaltenden Inszenierung und exzellenten Darstellern ein gleichzeitig futuristisches wie authentisches Szenario, das in dieser Weise seinesgleichen sucht.

© Universal Pictures International

Whiplash (2014)

Whiplash ist nicht nur der Name eines berühmten Jazz-Musikstücks, sondern bedeutet ins Deutsche übersetzt auch Schleudertrauma. Treffender könnte ein Filmtitel kaum sein, denn das Drama von Damien Chazelle kommt mit einer solchen Wucht daher, die sonst nötig ist, um einen derartigen medizinischen Zustand auszulösen. Zu verdanken hat der Film diese Wirkung unter anderem dem ausgezeichneten Drehbuch und den beiden virtuos aufspielenden Hauptdarstellern Miles Teller und J.K. Simmons.

Ersterer mimt das junge Schlagzeugtalent Andrew, der nur ein Ziel vor Augen hat: Er will der Beste seiner Zunft werden. Eine Legende, ähnlich wie sein Idol Buddy Rich. Nachdem er in seinem Musikkonservatorium vom Lehrer und Bandleader Terence Fletcher (verdienter Oscar für J.K. Simmons) entdeckt wird, scheint er einen großen Schritt in seiner Karriere gemacht zu haben. Doch Fletcher ist alles andere als ein väterlicher Motivator, sondern entpuppt sich als sadistischer Choleriker, der seine Schüler mit Erniedrigungsmethoden psychischer und physischer Natur zur Perfektion treiben will. Trotz dieser Strapazen lässt sich Andrew von seinem Weg jedoch nicht abbringen und ist fortan von geradezu selbstzerstörerischem Ehrgeiz getrieben. So gibt er sogar seiner Freundin den Laufpass, um sich völlig auf sein Schlagzeugtraining konzentrieren zu können.

Als Zuschauer ist man gleichermaßen fasziniert wie schockiert von Andrews Drang nach Erfolg. Er opfert dafür buchstäblich Blut und Tränen, was in quälend intensiven Szenen zur Schau gestellt wird. Regisseur Chazelle erzeugt dadurch sowohl Mitleid für Andrew als auch eine gewisse Abscheu vor ihm. Wie ein Besessener probt dieser seine Stücke ein und scheint dabei jegliches Interesse an sozialen Kontakten verloren zu haben. Miles Teller macht diese zehrende Prozedur in jeder Sekunde spürbar und beeindruckt ebenso mit sensationellem Schlagzeugspiel, das zum größten Teil von ihm selbst stammt.

Doch steht ihm mit J.K. Simmons ein kongenialer Kollege zur Seite, der in seinen Szenen als Dirigenten-Tyrann an R. Lee Ermeys Gunnery Sergeant Hartman aus Full Metal Jacket erinnert, dabei jedoch wesentlich mehr Tiefen offenbart. Die Anspannung seiner Musikschüler, sobald er den Raum betritt, überträgt sich auch auf den Zuschauer. Man erwischt sich dabei, wie man den Atem anhält und sich der Herzschlag kontinuierlich steigert, bis er förmlich im selben Takt schlägt, in dem Andrew auf sein Instrument hämmert. Ob Fletchers Friss oder Stirb-Methoden tatsächlich einer professionellen Intention entspringen oder lediglich die Launen eines Misanthropen sind, darf jeder für sich entscheiden. Eine endgültige Antwort liefert Chazelles Film nicht, was die elektrisierende Atmosphäre von Whiplash nur unterstreicht.

Dem gerade einmal 30-jährigen Damien Chazelle ist ein unglaublich intensiver und grandioser Film gelungen, der ihm sicherlich in Zukunft einige Türen öffnen sollte. Whiplash ist kein Musikfilm im herkömmlichen Sinne, sondern ein spannendes Drama, das einem schlichtweg den Atem raubt und noch lange nachwirkt.

© Sony Pictures

Foxcatcher (2014)

Eines ist Foxcatcher, das neueste Werk von Regisseur Bennett Miller, sicherlich nicht: Mainstream. In Anbetracht des derzeitigen Status als Oscaranwärter ist dies durchaus aller Ehren wert, da sich in diesem Metier nicht selten für eine massentauglichere Inszenierung entschieden wird. Miller lässt sich darauf jedoch nicht ein und konfrontiert den Zuschauer mit einem ungewöhnlich kühlen und stillen Drama, das gewissermaßen auf hohem Niveau scheitert.

Die subtile Spannung, die der Trailer versprach, ist auch im Endprodukt auf der Leinwand allgegenwärtig. Das ungemütliche Gefühl, dass jeden Moment etwas Unheilvolles passieren könnte, ist fast den ganzen Film über ein ständiger Begleiter. Trotz dieser düsteren und bedrohlichen Atmosphäre schafft es der Regisseur dennoch nicht wirklich, einen zu packen und mitzureißen. Miller geht äußerst dezent mit den filmischen Stilmitteln um. So verzichtet er fast komplett auf Musik, auch die ruhige Kameraführung passt sich dieser Herangehensweise an und mutet fast schon dokumentarisch an. Doch kommt das dem gesamten Film nicht immer zugute. In vielen Szenen wird diese Art der Inszenierung zu sehr ausgereizt, was Foxcatcher eine gewisse Langatmigkeit verleiht. Selbst der dramatische Höhepunkt des Films wird fast beiläufig inszeniert. Die vielversprechende Story wird dadurch leider verschenkt.

Dennoch wäre es falsch, das Drama als misslungen zu bezeichnen. Zu gut ist hierfür das Schauspiel von Steve Carell, Channing Tatum und Mark Ruffalo. Alle drei liefern bemerkenswert starke und intensive Vorstellungen ab und zeigen jeweils die wohl besten Leistungen ihrer Karriere. Vor allem Carell und Tatum überraschen, da sich beide mehr als überzeugend von ihrem jeweiligen Image als Spaßvogel bzw. Sexsymbol loseisen können. Dies gelingt sowohl durch ihre Darstellungen, als auch durch die physischen Veränderungen, die durch die grandiose Maske ermöglicht wurden. Carell ist mit falscher Nase kaum wiederzuerkennen und gleicht, passend zum Spitznamen seines Filmcharakters John DuPont, einem Greifvogel. Der „Golden Eagle“ wacht stets mit Adleraugen über seine Schützlinge, dessen Motivation jedoch eher von Kontrollsucht statt väterlicher Liebe geleitet wird. So entsteht zwischen dem Millionär und dem Ringer Mark Schultz eine Art Abhängigkeitsverhältnis, das verheerende Auswirkungen auf alle Beteiligten hat.

Channing Tatums üblich reduzierte Mimik ist wie geschaffen für die Rolle von Mark. Mit seinem grobmotorischen Gang und dem verbissenen Ausdruck im Gesicht verkörpert er perfekt den Kraftklotz, der von Ehrgeiz getrieben ist und doch eine verletzliche Seele in sich trägt. Seine ablehnende Aura, mit dem er seine Mitmenschen auf Distanz hält, überträgt sich leider auch auf den Zuschauer. Somit ist sein Bruder David, brillant gespielt von Mark Ruffalo, der einzig wirkliche Sympathieträger in Foxcatcher, was den Zugang zum Film nicht gerade erleichtert.

Vermutlich war dies auch genau die Intention von Bennett Miller, womit er ein sehr anspruchsvolles, aber auch etwas sperriges Drama geschaffen hat. Trotz grandioser Darstellerleistungen nimmt man nämlich überraschend wenig Anteilnahme am Schicksal der Figuren. Für einen Film, der stark auf die Charaktere bezogen ist, ist das nicht gerade von Vorteil. Stilistisch gibt es dennoch wenig zu bemängeln und die Dauerpräsenz des Bedrohlichen tröstet auch über einige Längen und deplatziert wirkende Momente von homoerotischen Untertönen zwischen DuPont und Mark Schultz hinweg.

© StudioCanal

Unbroken (2014)

Amerikanische Heldengeschichten im Film müssen sich sehr oft den Vorwurf gefallen lassen, zu pathetisch zu sein, zu eindimensional. Und das auch zu recht. Auch Angelina Jolies zweite Regiearbeit Unbroken ist nicht frei von erwähntem Pathos und zuschauerwirksamen Elementen, die dieses Genre sehr oft mit sich bringt. Überraschend ist, dass sich diese jedoch in Grenzen halten und dadurch die mitreißende Geschichte des Olympia-Athleten Louis Zamperini zu einem bewegenden Kino-Erlebnis wird, auch dank des noch relativ unbekannten Jack O’Connell in der Titelrolle.

Unbroken ist gewissermaßen in drei Kapitel unterteilt. Der erste Part widmet sich dem Werdegang Louis‘ vom rebellischen Spross der italienischen Einwandererfamilie Zamperini zum talentierten Läufer des Leichtathletik-Teams seiner Schule. Dort wird er mit Hilfe des Trainings seines Bruders zum schnellsten Athleten, was ihm große Aufmerksamkeit und schließlich eine Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Berlin 1936 einbringt. All dies erleben wir als Erinnerung Zamperinis, während er im Zweiten Weltkrieg bei der Air Force als Bombenschütze dient. Bei einer Rettungsmission stürzt das Flugzeug mit ihm und seinen Crewmitgliedern über dem Pazifik ab, wobei die meisten ihr Leben verlieren. Lediglich Louis selbst, der Pilot Russell und der Heckschütze Mac überleben den Absturz und können sich auf ein Schlauchboot retten.

Hier beginnt der zweite Abschnitt des Films, der den Überlebenskampf der drei auf dem Ozean schildert. Dabei müssen sie nicht nur Hunger, Durst und die unerbittliche Hitze überstehen, sondern sich auch Haiangriffen erwehren. Ein Martyrium auf dem Wasser, das durch ein noch schlimmeres abgelöst wird, als sie von einem japanischen Schiff entdeckt  und in ein Kriegsgefangenenlager gebracht werden. Damit wird der dritte und finale Akt eingeleitet, der den übermenschlichen Überlebenswillen Zamperinis am eindrucksvollsten widerspiegelt.

Das Thema Kriegsgefangenschaft wurde schon zigfach filmisch verarbeitet und sicherlich auch schon besser als in Unbroken. Jedoch lässt es sich kaum vermeiden, dass man mit dem Protagonisten mitleidet und -fiebert. Einer der Hauptgründe dafür ist das Psychoduell zwischen Zamperini und dem Lager-Aufseher „Bird“ Watanabe, dargestellt vom japanischen Musiker Miyavi in seinem Schauspieldebüt. Diese eher unkonventionelle Besetzung erweist sich als wahrer Glücksgriff Jolies. Miyavis jugendliche, unschuldige Gestalt, die konträr zu dem sadistischen und boshaftem Charakter seiner Figur steht, macht ihn zu einem interessanten Bösewicht, der dem Film im letzten Drittel Aufschwung verleiht. Der Japaner verkörpert den Antagonisten perfekt und kann durchaus als eine kleine Entdeckung angesehen werden.

Während in den Kriegsszenen im ersten Kapitel des Films hauptsächlich optische Schauwerte und Action im Vordergrund stehen, geht es beim Überlebenskampf auf dem Ozean wesentlich ruhiger zu. Dabei ist dieser Teil der Handlung jedoch etwas zu lang geraten, was die Geduld des Zuschauers auf eine harte Probe stellt. Belohnt wird er jedoch mit der starken dritten Episode des Films. Hier setzt Angelina Jolie dramaturgisch auf bewährte Mittel, um das Leiden ihres Helden zu verdeutlichen: Körperliche Misshandlungen, psychische Qualen, der Tod droht zu jedem Augenblick. Dieses Einmaleins des Kriegsgefangenenfilms ist natürlich etwas zu konventionell geraten, rutscht aber dank der tollen Darstellerleistungen nie ins Belanglose ab. Wirklich schade hingegen ist, dass die Figur des Russell (überzeugend gespielt von Domhnall Gleeson) ohne große Erklärungen „verschwindet“. Auch wenn der Charakter nur eine Nebenfigur ist, hätte er durchaus mehr verdient gehabt.

Insgesamt merkt man Unbroken etwas zu sehr seine Oscar-Ambitionen an. Mehr Mut zu Ecken und Kanten hätten Jolies Film sicherlich gut getan. Zu glatt kommen einige Szenen daher, was anhand der Drehbuch-Mitwirkung von Joel und Ethan Coen verwunderlich ist. Ein Meisterwerk sollte man also beim Anschauen nicht erwarten. Dennoch ist Unbroken ein sehenswerter und mitreißender Film, dessen Oscar-nominierte Kameraarbeit beeindruckende Bilder liefert.

© Universal Pictures