The Hateful 8 (2015)

Drei Jahre sind seit Quentin Tarantinos letztem Film Django Unchained ins Land gegangen. Nun ist mit The Hateful 8 sein langersehntes, neues Werk im Kino zu bewundern, in dem er sich erneut dem Western-Genre widmet. Der in den Medien vielfach erwähnte Ärger um die vorzeitige Veröffentlichung des Drehbuchs und die vorübergehende Einstellung der Planungen am Film, scheint Tarantinos Regiefähigkeiten glücklicherweise nicht beeinträchtigt zu haben. Denn in The Hateful 8 beweist er erneut, mit welcher Detailversessenheit und Kreativität er seine Geschichten zum Leben erwecken kann. Diesmal hebt sich das Ergebnis von seinen bisherigen Arbeiten dennoch etwas ab.

Ein Grund dafür ist die ungewohnt düstere Tonart des, einige Jahre nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg spielenden, Films, die sich die komplette Laufzeit von fast drei Stunden hartnäckig hält und The Hateful 8 zum ernsthaftesten Beitrag seines Œuvres macht. Selbstverständlich verzichtet Tarantino auch hier nicht auf die schwarzhumorigen Einlagen. Diese sind jedoch weniger pointenreich und ironisch, als man es vom Regisseur gewohnt ist. Die ausschweifenden Dialoge drehen sich oft um Belanglosigkeiten, was bei einem Tarantino-Film natürlich kein Novum ist. Jedoch erreichen sie nicht ganz die Raffinesse der filmischen Vorgänger. Trotz dieses kleinen Mankos ist es umso faszinierender zu beobachten, wie es Tarantino schafft, die sich steigernde Anspannung zwischen den Charakteren von Minute zu Minute spürbarer zu machen.
Dass er sich hierfür gewissermaßen auf nur zwei Schauplätze beschränkt, ist ein besonders intelligenter Schachzug und unterstreicht die kammerspielartige Atmosphäre seines Films.

So lassen sich in einigen Bereichen Parallelen zu Tarantinos Debüt Reservoir Dogs ziehen. Statt Diamantenräuber in schwarzen Anzügen, treffen diesmal jedoch zwei Kopfgeldjäger, eine Mörderin, ein General und andere undurchsichtige Typen auf engstem Raum aufeinander. Und wie der Kultfilm von 1992 zieht auch The Hateful 8 seine Spannung aus dem Ungewissen, denn die titelgebenden acht Protagonisten (obwohl es eigentlich neun sind) haben sich nur scheinbar aufgrund eines wütenden Schneesturms in „Minnies Miederwarenladen“ zusammen eingefunden. Dass diese Zusammenkunft alles andere als rein zufällig ist und nicht jeder der ist, der er vorgibt zu sein, ahnen bald sowohl die Charaktere als sicher auch der Großteil der Zuschauer des Films. Das folgende Misstrauen zwischen den Figuren weiß Tarantino gekonnt in Szene zu setzen und lässt damit erneut Erinnerungen an Reservoir Dogs aufleben. Bis zur blutigen Eskalation der Situation lässt er sich diesmal jedoch etwas zu viel Zeit und bläst die, im Kern recht simpel gestrickte, Handlung zu einem Drei-Stunden-Epos auf. Erst nach guten 90 Minuten Laufzeit fällt der erste Schuss und leitet damit den Auftakt zur zweiten Hälfte des Films ein, der von eruptiver Gewalt bestimmt ist und die bis dahin stark vorherrschenden Dialoge ablöst.So gesehen gibt der Regisseur seinen Fans genau das, was diese von ihm gewohnt sind, verliert sich dabei allerdings in zu vielen Nichtigkeiten.

Der Vorteil seiner ausgelassenen Inszenierung besteht darin, dass nahezu alle seine Charaktere viel Raum zur Entfaltung bekommen. Um diese auf der Leinwand mit Leben zu füllen, versammelte Tarantino wieder einmal alte Bekannte vor der Kamera, u.a. Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Tim Roth und Michael Madsen. Das exzellente Schauspiel-Ensemble zieht dabei alle Register seines Könnens und beweist schier unermessliche Spielfreude. Besonders Kurt Russell und Jennifer Jason Leigh, die in ihren Rollen als Kopfgeldjäger John Ruth und dessen Gefangene Daisy Domergue aneinander gekettet sind, agieren wunderbar zusammen und lassen durch die herrschende Abscheu zwischen ihren Figuren auch ab und zu eine gewisse Herzlichkeit blitzen. Leighs Performance brachte ihr bereits eine Golden Globe- und Oscar-Nominierung ein, womit die Schauspielerin auf dem besten Wege ist, sich in die Liste der Kollegen einzureihen, denen Tarantino zu einem Comeback verholfen hat.

Obwohl auch in The Hateful 8 die typischen Stilelemente des Kult-Regisseurs zu finden sind, wie die Unterteilung der Geschichte in Kapitel oder der überzeichneten Gewaltdarstellung, bewies er auch Mut zu Neuerungen. Zum ersten Mal ließ er fast die gesamte Filmmusik komponieren und engagierte dafür niemand geringeren, als den von ihm sehr verehrten Ennio Morricone. Der Italiener liefert im Spätherbst seiner Karriere einen gleichzeitig zurückhaltend wie einprägsamen und derart passend düsteren Soundtrack ab, dass dieser zweifellos als eine seiner besten Arbeiten bezeichnet werden kann. Gänzlich verzichtet Tarantino aber auch diesmal nicht auf Rock- und Popsongs und unterstreicht bzw. konterkariert das filmische Geschehen u.a. mit Roy Orbison und The White Stripes.

Überhaupt kann der Kammerspiel-Western auf technischer Seite besonders punkten.
So sind schon alleine die herausragenden Kamerabilder der  verschneiten Landschaft des amerikanischen Westens den Gang ins Kino wert. Hierfür kramten der Digital-Verächter Tarantino und sein Kameramann Robert Richardson, bei ihrer mittlerweile fünften Zusammenarbeit, die seit den 60er Jahren nicht mehr verwendeten Cinemascope-Objektive aus dem Archiv. Diese sorgen für ein extrabreites Bildformat, wie es bei früheren Monumentalfilmen üblich war und damit für ein außergewöhnliches Seherlebnis, das auch im räumlich beschränkten Setting der Berghütte nichts an Wirkung verliert.

In seiner Dankesrede bei den Filmfestspielen von Cannes 1994 sagte Quentin Tarantino einmal, dass seine Filme die Menschen spalten würden, anstatt sie zusammenzubringen.
Auf The Hateful 8 könnte dies wohl kaum passender zutreffen. Einigen werden die typischen Merkmale seiner Inszenierungsweise sauer aufstoßen. Andere wiederum werden sich an der ungewohnt sperrigen Erzählweise stören. Doch Anhänger des Regisseurs werden dies auch nach Sichtung des Films weiterhin bleiben. Denn auch, wenn The Hateful 8 sicher nicht das beste Werk Tarantinos ist, so ist es gewiss sein mutigstes.

© Universum Film (UFA)

The Revenant – Der Rückkehrer (2015)

Selten wurde in den letzten Jahren so über aufwendige und harte Dreharbeiten berichtet, wie zu The Revenant – Der Rückkehrer, dem neuesten Streich von Alejandro González Iñárritu. Ob diese körperlichen und seelischen Strapazen von Darstellern und Crew durchweg der Wahrheit entsprechen oder lediglich Teil cleverer PR sind, sei hier einmal dahingestellt. Fakt ist jedoch: Es hat sich wirklich gelohnt. Der, nur mit natürlichem Licht gedrehte, Mix aus Rache-Thriller und Survival-Drama, mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, läutet das Kinojahr 2016 auf äußerst eindrucksvolle Art und Weise ein.

Erzählt wird die, auf wahren Begebenheiten basierende, Geschichte des Trappers Hugh Glass, der im Jahr 1823 auf einer Pelzjagd-Expedition in Nordamerika von einem Grizzlybären angegriffen und schwer verletzt wird. Da die restlichen Männer seiner Truppe, die bereits vorher durch eine blutige Auseinandersetzung mit Indianern stark dezimiert wurde, keine Möglichkeit sehen, ihn den gesamten Weg in ihr Lager zu tragen, sollen sein Sohn Hawk, der raubeinige Söldner John Fitzgerald und der junge Jim Bridger bei ihm bleiben, um auf seinen Tod zu warten und ihn anschließend ehrenhaft zu begraben. Dass es dazu jedoch nicht kommt und Glass sich selbst zurückgelassen in einem Erdloch im Wald und seinen Sohn tot vorfindet, ist der Auftakt zur Haupthandlung des Films. Der Schwerverwundete schleppt sich fortan, getrieben von Rachegelüsten, hunderte von Kilometern durch die eiskalte Wildnis Nordamerikas zurück in die Zivilisation.

Diesen mehr als mühsamen und gefahrvollen Weg fangen Iñárritu und sein Kameramann Emmanuel Lubezki in gleichzeitig traumhaften wie auch grausamen Bildern ein. Die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen stehen dabei im Kontrast zu den schonungslosen Darstellungen von Glass‘ Tortur. Sei es der unverblümte Blick auf dessen klaffende Wunden oder das Aufschneiden eines Pferdekadavers inklusive Entfernung der Innereien. Doch gerade diese Gegensätzlichkeit ist es, die The Revenant einen Sog entwickeln lässt, dem man sich nur schwer entziehen kann. Bereits die perfekt choreografierte Anfangssequenz, in der die Expedition von einem Indianerstamm angegriffen wird, katapultiert den Zuschauer direkt in das Geschehen, was der dynamischen und intensiven Kameraführung Lubezkis zu verdanken ist, die wie aus einem Guss wirkt. Damit übertrifft der Mexikaner sogar seine oscarprämierte Arbeit in Birdman aus dem letzten Jahr, für den er ebenfalls mit seinem Landsmann Iñárritu zusammenarbeitete.

Neben der Inszenierung sind es aber auch die Darsteller, die den Film über den Status eines simplen Rache-Dramas hinausheben. Allen voran Leonardo DiCaprio, der einmal mehr vollen Körpereinsatz zeigt und sich voraussichtlich zu einer weiteren Oscar-Nominierung kämpft, kriecht und zittert. Ob es diesmal zu einer Auszeichnung reicht, hängt sicherlich auch von der Konkurrenz ab, da seine Darstellung zweifellos imposant, die Rolle des Hugh Glass hingegen nicht die vielschichtigste seiner Karriere ist. Überhaupt hätte etwas mehr Tiefgründigkeit in der Figurenzeichnung dem Werk gut getan, besonders da es zum großen Teil dialogfrei abläuft. So ist und bleibt die Hauptfigur lediglich der unbeugsame Einzelkämpfer, der nur noch sich und seine Rache hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Antagonisten John Fitzgerald. Dieser wird zwar vom Briten Tom Hardy ebenfalls hervorragend verkörpert, scheint allerdings ausschließlich von schlechten Charaktereigenschaften durchzogen zu sein. Mit dieser Schwarz-Weiß-Malerei macht es sich Iñárritu etwas zu einfach, um seinen linear gestrickten Plot zu vermitteln, worüber auch die traumartigen Epiphanien von Glass nicht hinwegtäuschen können. Zudem läuft der Regisseur Gefahr, dass einige Zuschauer das Schicksal seines Protagonisten überraschend unberührt lassen könnte, da er während der sehr langen Spielzeit einen Leidensmoment der Figur an den nächsten reiht, dabei aber ihrem Innenleben nicht wirklich nahezukommen scheint.

Es wäre dennoch falsch zu behaupten, dass The Revenant nur durch Form statt Inhalt punkten kann. Zu mitreißend ist dann doch die Geschichte eines Mannes, der schier unglaublichen Überlebenswillen zeigt und dabei jeglichen Gefahren, ob Natur oder Mensch, trotzt. In Erinnerung werden nichtsdestotrotz eher die turbulenteren Szenen bleiben, wie der Bärenangriff oder der Kampf mit den Indianern zu Beginn des Films, die handwerklich meisterhaft inszeniert sind und einem schlichtweg den Atem rauben.
Für Werke wie The Revenant wurde das Kino erschaffen und Regisseur Alejandro G. Iñárritu ist im Begriff, sich bei den ganz Großen seiner Zunft einzureihen.

© 20th Century Fox

 

Everest (2015)

Mit Everest legt der isländische Regisseur Baltasar Kormákur seine dritte größere US-Produktion vor und widmet sich darin dem tragischen Vorfall am Mount Everest aus dem Jahr 1996, der acht Menschen das Leben kostete. Was leicht zu einem actionlastigen Katastrophenfilm hätte werden können, entpuppt sich jedoch als emotionales Bergsteigerdrama, das einen nicht unbeeindruckt im Kinosessel zurücklässt.

Wie auch schon in seinem Film The Deep, der sich ebenfalls um ein tatsächlich geschehenes Unglück dreht, legt Kormákur in Everest mehr Wert auf die Figuren und deren Emotionen, als auf Effektgewitter, was eine willkommene Abwechslung im heutigen Blockbuster-Kino darstellt. Im Gegensatz zu seinem kleinen isländischen Werk standen ihm diesmal jedoch ein deutlich höheres Budget sowie ein namhafter Cast zur Verfügung. Hier offenbart sich gleichzeitig jedoch die erste, kleine Schwäche des Films. Die große Anzahl an prominenten Darstellern, zu denen sich unter anderem Josh Brolin, Jake Gyllenhaal und Sam Worthington zählen dürfen, geht anhand der vielen Charaktere etwas unter und wirkt mitunter sogar etwas verschenkt. So sind beispielweise Keira Knightleys und Robin Wrights Auftritte zwar sehenswert, aufgrund der geringen Screentime allerdings kaum der Rede wert. Ihr Erscheinen dient lediglich dazu, das Schicksal der Angehörigen greifbar zu machen, die sich nicht am Mount Everest befinden, sondern nur durch Funkkontakt mit ihren Liebsten am Berg verbunden sind. Die Tatsache, dass ihre Ängste und Sorgen im Film nur gestreift werden, ist zwar bedauernswert, im Interesse des Vermeidens von Überlänge jedoch die logische Konsequenz.

Der Vorteil des großen Ensembles wiederum besteht darin, dass sich keiner der Darsteller wirklich hervorhebt und so der gigantischen Wirkung des Mount Everest genügend Raum gegeben wird. Diesen setzt Kormákur durch großartige Naturaufnahmen gekonnt in Szene. Dass die Passagen am Gipfel vor dem Greenscreen entstanden, tut der bedrohenden und einschüchternden Atmosphäre des Berges keinen Abbruch. Überhaupt gelingt es dem Regisseur, die Naturgewalten für den Zuschauer so spürbar wie möglich zu machen und überträgt die Kälte auf der Leinwand direkt in den Kinosaal. Auch wenn die Strapazen der Charaktere nur erahnt werden können, so leidet man durchaus mit ihnen. Da fällt es auch weniger ins Gewicht, dass oftmals starke Konzentration gefordert ist, um die zahlreichen Figuren in ihrer dicken Winterkleidung beim Hinauf- und Herabkraxeln im Schneegestöber unterscheiden zu können. Kommen diese in ihren Zelten, von Atemmaske und Kletteranstrengungen befreit, vorübergehend zur Ruhe, dürfen die Darsteller um Jason Clarke, John Hawkes & Co. schließlich beweisen, dass unter der Bergsteigermontur auch Schauspieler stecken. Allesamt erledigen hierbei einen grundsoliden Job und passen sich damit dem unaufgeregten Inszenierungsstil von Baltasar Kormákur an.

Der Regisseur vermeidet zum größten Teil Effekthascherei, sodass selbst die Sterbeszenen fast schon beiläufig daherkommen. Ob dies auch der Grund dafür ist, dass die 3D-Effekte zwar sehenswert, dennoch weniger eindrucksvoll sind, wie man zunächst annehmen könnte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Trotz aller Bemühungen, den Konventionen des Genres fernzubleiben, muss sich auch Kormákur den Vorwurf gefallen lassen, gegen Ende des Films dem überdramatisierten Hollywood-Kitsch etwas zu viel Raum zu geben, was aber dennoch seine beabsichtigte Wirkung – und zwar den Zuschauer emotional zu berühren – nicht verfehlt. Und auch, wenn bei Everest nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft wurde, so verlässt man den Kinosaal mit dem Gefühl, einen mehr als interessanten Film gesehen zu haben.

© Universal Pictures International

Ex Machina (2015)

Dass der Brite Alex Garland ein ausgezeichneter Schriftsteller (Der Strand) und Drehbuchautor (Sunshine) ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Die Frage, ob er auch einen guten Regisseur abgeben würde, kann jedoch erst seit diesem Jahr beantwortet werden: Und das mit einem groß geschriebenen JA! Mit Ex Machina, seinem Debüt hinter der Kamera, schuf er einen spannenden Genre-Hybriden aus Science-Fiction-Thriller und kammerspielartigem Psycho-Drama, der einer der interessantesten Beiträge der letzten Jahre zum Thema Künstliche Intelligenz ist.

Dabei verzichtet er auf knallige Action, wie im ebenfalls dieses Jahr erschienenen Chappie, sondern wählt einen wesentlich ruhigeren Ansatz, was Ex Machina umso eindringlicher und realistischer macht. Zudem konnte Garland für seinen Film auf ein glänzendes und angenehm unverbrauchtes Darsteller-Trio zurückgreifen, das sich durch ein nicht minder überzeugendes Setting bewegt. Dieses besteht hauptsächlich aus dem klaustrophobischen und steril anmutenden Gebäude des genialen, aber zurückgezogen lebenden Firmenchefs Nathan. Sein hochtechnisiertes Reich beherbergt nicht nur jede Menge Räume und Korridore, sondern auch die von ihm entwickelte Roboterfrau Ava. Um deren künstliche Intelligenz zu testen, lädt Nathan den jungen Programmierer Caleb ein, der eine Woche lang in Gesprächen mit Ava feststellen soll, ob sie wie ein Mensch denkt oder doch nur wie eine Maschine.

So simpel diese dramaturgische Ausgangssituation auch klingen mag, so viel Raum bietet sie für die Figuren und deren Darsteller. Ein Fakt, den Garland clever zu nutzen weiß, indem er mit dem einschüchternd wirkenden Nathan, dem zurückhaltenden Caleb und der neugierigen Ava drei unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen lässt. Jedem Zuschauer dürfte dabei schnell klar werden, dass solch ein Konfliktpotenzial früher oder später zur Eskalation führt. Bis es jedoch soweit ist, gibt der Regisseur dem Publikum genug Zeit, um sich Gedanken über das Gesehene zu machen. Gleichzeitig zieht er die Spannungsschraube immer weiter an, vernachlässigt dabei aber nicht die philosophischen Aspekte seines Films. In diesen besteht auch die größte Stärke von Ex Machina, denn selten hat es ein Vertreter dieses Genres geschafft, existenzielle Fragen zu Menschheit und Identität so veranschaulichend darzustellen, ohne diese zu plakativ wirken zu lassen.

Neben Garlands Händchen für eine derartige Inszenierung, ist es auch den drei Hauptdarstellern zu verdanken, dass Ex Machina nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird. Angefangen bei Oscar Isaac, der wohl zu den vielversprechendsten Schauspielern der letzten Jahre gehört. In seiner Rolle als Nathan brilliert er mit beeindruckender Präsenz, spielt sich jedoch nie zu sehr in den Vordergrund. Dies erweist sich als genau die richtige Herangehensweise, um den zwielichtigen Firmenchef zu verkörpern, der zwischen lockerem Kumpeltyp und arrogantem Kontrollfreak mit Alkoholproblemen zu pendeln scheint. Ebenso weiß auch Domhnall Gleeson zu überzeugen. Die Entwicklung Calebs, der anfangs noch Bewunderung für seinen Chef hegt, die sich jedoch in zunehmendes Misstrauen wandelt, vermittelt er mehr als glaubhaft. Als Dritte im Bunde darf sich zudem die Schwedin Alicia Vikander als Ava beweisen. Die nicht gerade leichte Aufgabe, eine Roboterfrau darzustellen, die gleichzeitig menschliche Attribute und Eigenschaften aufweist, meistert sie mit Bravour.

So wie Caleb zunehmend Schwierigkeiten hat, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden, muss sich auch der Zuschauer immer wieder fragen, was Wahrheit und was Täuschung ist, wer welches Ziel verfolgt und warum. Das fiese Finale hinterlässt jedoch nur oberflächlich die Genugtuung einer Auflösung. Viel nachhaltiger und bedeutender sind die Fragen, die sich spätestens nach dem Abspann unweigerlich auftun: Was macht uns Menschen eigentlich aus? Sind es unsere Entscheidungen, unser Denken oder ist es die bloße Anatomie?

Garlands Konzept für sein Regiedebüt geht also fast vollständig auf. Zwar mag es dem ein oder anderen an außergewöhnlichen Momenten mangeln, jedoch hat Ex Machina dies auch gar nicht nötig. Garland versucht nicht, das Rad neu zu erfinden oder weitere Genre-Maßstäbe zu setzen. Und dennoch – oder gerade deshalb – bietet sein Film dank einer zurückhaltenden Inszenierung und exzellenten Darstellern ein gleichzeitig futuristisches wie authentisches Szenario, das in dieser Weise seinesgleichen sucht.

© Universal Pictures International