Everest (2015)

Mit Everest legt der isländische Regisseur Baltasar Kormákur seine dritte größere US-Produktion vor und widmet sich darin dem tragischen Vorfall am Mount Everest aus dem Jahr 1996, der acht Menschen das Leben kostete. Was leicht zu einem actionlastigen Katastrophenfilm hätte werden können, entpuppt sich jedoch als emotionales Bergsteigerdrama, das einen nicht unbeeindruckt im Kinosessel zurücklässt.

Wie auch schon in seinem Film The Deep, der sich ebenfalls um ein tatsächlich geschehenes Unglück dreht, legt Kormákur in Everest mehr Wert auf die Figuren und deren Emotionen, als auf Effektgewitter, was eine willkommene Abwechslung im heutigen Blockbuster-Kino darstellt. Im Gegensatz zu seinem kleinen isländischen Werk standen ihm diesmal jedoch ein deutlich höheres Budget sowie ein namhafter Cast zur Verfügung. Hier offenbart sich gleichzeitig jedoch die erste, kleine Schwäche des Films. Die große Anzahl an prominenten Darstellern, zu denen sich unter anderem Josh Brolin, Jake Gyllenhaal und Sam Worthington zählen dürfen, geht anhand der vielen Charaktere etwas unter und wirkt mitunter sogar etwas verschenkt. So sind beispielweise Keira Knightleys und Robin Wrights Auftritte zwar sehenswert, aufgrund der geringen Screentime allerdings kaum der Rede wert. Ihr Erscheinen dient lediglich dazu, das Schicksal der Angehörigen greifbar zu machen, die sich nicht am Mount Everest befinden, sondern nur durch Funkkontakt mit ihren Liebsten am Berg verbunden sind. Die Tatsache, dass ihre Ängste und Sorgen im Film nur gestreift werden, ist zwar bedauernswert, im Interesse des Vermeidens von Überlänge jedoch die logische Konsequenz.

Der Vorteil des großen Ensembles wiederum besteht darin, dass sich keiner der Darsteller wirklich hervorhebt und so der gigantischen Wirkung des Mount Everest genügend Raum gegeben wird. Diesen setzt Kormákur durch großartige Naturaufnahmen gekonnt in Szene. Dass die Passagen am Gipfel vor dem Greenscreen entstanden, tut der bedrohenden und einschüchternden Atmosphäre des Berges keinen Abbruch. Überhaupt gelingt es dem Regisseur, die Naturgewalten für den Zuschauer so spürbar wie möglich zu machen und überträgt die Kälte auf der Leinwand direkt in den Kinosaal. Auch wenn die Strapazen der Charaktere nur erahnt werden können, so leidet man durchaus mit ihnen. Da fällt es auch weniger ins Gewicht, dass oftmals starke Konzentration gefordert ist, um die zahlreichen Figuren in ihrer dicken Winterkleidung beim Hinauf- und Herabkraxeln im Schneegestöber unterscheiden zu können. Kommen diese in ihren Zelten, von Atemmaske und Kletteranstrengungen befreit, vorübergehend zur Ruhe, dürfen die Darsteller um Jason Clarke, John Hawkes & Co. schließlich beweisen, dass unter der Bergsteigermontur auch Schauspieler stecken. Allesamt erledigen hierbei einen grundsoliden Job und passen sich damit dem unaufgeregten Inszenierungsstil von Baltasar Kormákur an.

Der Regisseur vermeidet zum größten Teil Effekthascherei, sodass selbst die Sterbeszenen fast schon beiläufig daherkommen. Ob dies auch der Grund dafür ist, dass die 3D-Effekte zwar sehenswert, dennoch weniger eindrucksvoll sind, wie man zunächst annehmen könnte, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Trotz aller Bemühungen, den Konventionen des Genres fernzubleiben, muss sich auch Kormákur den Vorwurf gefallen lassen, gegen Ende des Films dem überdramatisierten Hollywood-Kitsch etwas zu viel Raum zu geben, was aber dennoch seine beabsichtigte Wirkung – und zwar den Zuschauer emotional zu berühren – nicht verfehlt. Und auch, wenn bei Everest nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft wurde, so verlässt man den Kinosaal mit dem Gefühl, einen mehr als interessanten Film gesehen zu haben.

© Universal Pictures International