Selten wurde in den letzten Jahren so über aufwendige und harte Dreharbeiten berichtet, wie zu The Revenant – Der Rückkehrer, dem neuesten Streich von Alejandro González Iñárritu. Ob diese körperlichen und seelischen Strapazen von Darstellern und Crew durchweg der Wahrheit entsprechen oder lediglich Teil cleverer PR sind, sei hier einmal dahingestellt. Fakt ist jedoch: Es hat sich wirklich gelohnt. Der, nur mit natürlichem Licht gedrehte, Mix aus Rache-Thriller und Survival-Drama, mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, läutet das Kinojahr 2016 auf äußerst eindrucksvolle Art und Weise ein.
Erzählt wird die, auf wahren Begebenheiten basierende, Geschichte des Trappers Hugh Glass, der im Jahr 1823 auf einer Pelzjagd-Expedition in Nordamerika von einem Grizzlybären angegriffen und schwer verletzt wird. Da die restlichen Männer seiner Truppe, die bereits vorher durch eine blutige Auseinandersetzung mit Indianern stark dezimiert wurde, keine Möglichkeit sehen, ihn den gesamten Weg in ihr Lager zu tragen, sollen sein Sohn Hawk, der raubeinige Söldner John Fitzgerald und der junge Jim Bridger bei ihm bleiben, um auf seinen Tod zu warten und ihn anschließend ehrenhaft zu begraben. Dass es dazu jedoch nicht kommt und Glass sich selbst zurückgelassen in einem Erdloch im Wald und seinen Sohn tot vorfindet, ist der Auftakt zur Haupthandlung des Films. Der Schwerverwundete schleppt sich fortan, getrieben von Rachegelüsten, hunderte von Kilometern durch die eiskalte Wildnis Nordamerikas zurück in die Zivilisation.
Diesen mehr als mühsamen und gefahrvollen Weg fangen Iñárritu und sein Kameramann Emmanuel Lubezki in gleichzeitig traumhaften wie auch grausamen Bildern ein. Die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen stehen dabei im Kontrast zu den schonungslosen Darstellungen von Glass‘ Tortur. Sei es der unverblümte Blick auf dessen klaffende Wunden oder das Aufschneiden eines Pferdekadavers inklusive Entfernung der Innereien. Doch gerade diese Gegensätzlichkeit ist es, die The Revenant einen Sog entwickeln lässt, dem man sich nur schwer entziehen kann. Bereits die perfekt choreografierte Anfangssequenz, in der die Expedition von einem Indianerstamm angegriffen wird, katapultiert den Zuschauer direkt in das Geschehen, was der dynamischen und intensiven Kameraführung Lubezkis zu verdanken ist, die wie aus einem Guss wirkt. Damit übertrifft der Mexikaner sogar seine oscarprämierte Arbeit in Birdman aus dem letzten Jahr, für den er ebenfalls mit seinem Landsmann Iñárritu zusammenarbeitete.
Neben der Inszenierung sind es aber auch die Darsteller, die den Film über den Status eines simplen Rache-Dramas hinausheben. Allen voran Leonardo DiCaprio, der einmal mehr vollen Körpereinsatz zeigt und sich voraussichtlich zu einer weiteren Oscar-Nominierung kämpft, kriecht und zittert. Ob es diesmal zu einer Auszeichnung reicht, hängt sicherlich auch von der Konkurrenz ab, da seine Darstellung zweifellos imposant, die Rolle des Hugh Glass hingegen nicht die vielschichtigste seiner Karriere ist. Überhaupt hätte etwas mehr Tiefgründigkeit in der Figurenzeichnung dem Werk gut getan, besonders da es zum großen Teil dialogfrei abläuft. So ist und bleibt die Hauptfigur lediglich der unbeugsame Einzelkämpfer, der nur noch sich und seine Rache hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Antagonisten John Fitzgerald. Dieser wird zwar vom Briten Tom Hardy ebenfalls hervorragend verkörpert, scheint allerdings ausschließlich von schlechten Charaktereigenschaften durchzogen zu sein. Mit dieser Schwarz-Weiß-Malerei macht es sich Iñárritu etwas zu einfach, um seinen linear gestrickten Plot zu vermitteln, worüber auch die traumartigen Epiphanien von Glass nicht hinwegtäuschen können. Zudem läuft der Regisseur Gefahr, dass einige Zuschauer das Schicksal seines Protagonisten überraschend unberührt lassen könnte, da er während der sehr langen Spielzeit einen Leidensmoment der Figur an den nächsten reiht, dabei aber ihrem Innenleben nicht wirklich nahezukommen scheint.
Es wäre dennoch falsch zu behaupten, dass The Revenant nur durch Form statt Inhalt punkten kann. Zu mitreißend ist dann doch die Geschichte eines Mannes, der schier unglaublichen Überlebenswillen zeigt und dabei jeglichen Gefahren, ob Natur oder Mensch, trotzt. In Erinnerung werden nichtsdestotrotz eher die turbulenteren Szenen bleiben, wie der Bärenangriff oder der Kampf mit den Indianern zu Beginn des Films, die handwerklich meisterhaft inszeniert sind und einem schlichtweg den Atem rauben.
Für Werke wie The Revenant wurde das Kino erschaffen und Regisseur Alejandro G. Iñárritu ist im Begriff, sich bei den ganz Großen seiner Zunft einzureihen.
© 20th Century Fox